Beschreibung
Barraud wird 1899 in La Chaux-de-Fonds in eine Künstlerfamilie geboren (die Eltern sind Graveure) und erhält seine Ausbildung an der Ecole d'art bei Charles l'Epplattenier. Gleichzeitig absolviert er eine Ausbildung als Baumaler. Er verlässt die Schweiz, geht nach Reims und später nach Paris, begleitet von seinen Brüdern. 1926 kehrt er in die Schweiz zurück und verbringt einige Zeit in einem Sanatorium in Leysin (VD), bevor er sich in seiner Geburtsstadt niederlässt. Seine zunächst lokale Bekanntheit wächst rasch dank dem Genfer Galeristen Max Moos, mit dem Barraud einen Vertrag abschliesst. 1931 und 1932 finden zuerst in Genf und dann in Paris Einzelausstellungen statt, die bei Sammlern einen beträchtlichen Erfolg erzielen und die Aufmerksamkeit der Schweizer Kunstkritik erregen. Der Erfolg ist gross, aber von kurzer Dauer: 1934 stirbt der Künstler im Alter von 35 Jahren in Genf an Tuberkulose. Das künstlerische Schicksal von François lässt sich kaum trennen von dem seiner drei Brüder Aurèle, Aimé und Charles: Während die ersten Gemälde oft mehrere Signaturen tragen, nehmen die künstlerischen Eigenheiten der Brüder zwar mit den Jahren zu, sie behalten aber dennoch alle dieselbe fast fotografische Einfachheit in ihren Akten, Porträts und Stillleben bei. Der bekannteste der Brüder gilt heute als einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit in der Schweiz, aber erst nachdem seine lange Zeit unbeachteten Werke in den 1970er-Jahren wiederentdeckt wurden.
Als Maler der alltäglichen Realität spielt Barraud in diesem für sein Schaffen typischen Werk mit einem originellen Kompositionsmotiv, das minutiös ausgeführt wird: In einem als Atelier des Malers zu erahnenden Raum (die an der Wand aufgehängte Palette ist ein Indiz dafür) ist stehend und im Profil eine statuenhafte nackte Frau mit weisser Haube zu sehen, die einen Strumpf über ihr linkes Bein zieht. Der Titel des Werks evoziert die Fröhlichkeit und Unbekümmertheit, die der Persönlichkeit der dargestellten Frau des Künstlers, Marie, entspricht. Sie war sein bevorzugtes oder gar einziges Modell. Im Gegensatz dazu begnügt sich die tonige Farbgebung mit einem Spektrum von gedämpften Farben – grau, braun und weiss –, vermittelt einen Eindruck von Melancholie oder gar Kälte und verleiht der intimen Szene eine distanzierten und stillen Charakter. Das Werk wurde 2000 durch die Gottfried Keller-Stiftung erworben.
2018/Ingrid Dubach-Lemainque//BAK LING
Provenienz
François Emile Barraud, Genève (1930–1935); Willy Russ-Young, Serrières-Neuchâtel (1935–1952); Arthur Stoll, Arlesheim/Corseau (1952–1971); Erben Arthur Stoll (1971–2000); Sotheby's Zürich (7.12.2000, lot Nr. 42); Confédération suisse.
Source: Archives des Collections d'art de la Confédération, Berne