Caprices. Hirtin und Ziegen
vor 1898
Inventarnummer
fK240
Objekttyp
Gemälde
Masse
128 x 207 cm
Beschreibung
Biéler wurde 1863 als Sohn einer wohlhabenden Familie in Rolle geboren. Als 17-Jähriger begab er sich auf den Rat des Malers François Bocion nach Paris, um an der Ecole des Beaux-Arts zu studieren. Er schwankte zu diesem Zeitpunkt in seiner künstlerischen Orientierung zwischen Impressionismus und Jugendstil. 1884 entdeckte er die ländliche Kultur von Savièse und verliess 1900 Paris, um sich in dieser Walliser Gemeinde niederzulassen, in der sich eine als «Schule von Savièse» bezeichnete Gruppe von Künstlerinnen und Künstler gebildet hatte. Die abgelegene Gegend und ihre Bewohner inspirierten den Künstler zu einer grossen Zahl von Genrebildern, Porträts und Landschaften, die als wichtige Zeugnisse für traditionelle Lebensformen in der Schweiz zur Zeit der Industrialisierung gelten. Biéler realisierte auch grosse dekorative Arbeiten: Glasmalereien für Kirchen, Wandmalereien oder Mosaiken für das Musée Jenisch in Vevey oder für das Theater in Bern. Biéler, dem seine Zeitgenossen das Fehlen eines persönlichen Stils und eine konservative Kunstauffassung vorwarfen, wurde gleichwohl aufgrund seiner durch den Jugendstil geprägten Werke sowohl beim grossen Publikum als auch bei Sammlern geschätzt. Er arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 1948 in Lausanne an grossen Dekorationsprojekten. Das grossformatige, in Tempera auf Gips ausgeführte Bild wurde vom Künstler im Oktober 1898 an der Fünften Nationalen Kunstausstellung in Basel gezeigt. Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat das Gemälde für den damals hohen Preis von 10 000 Franken gekauft und im Musée des Beaux-Arts de Neuchâtel deponiert. Das Werk zeigt die Bedeutung, die Biéler Ende des 19. Jahrhunderts dem dekorativen Aspekt seines Schaffens zugestand. Der Künstler, der bereits private Aufträge für Wandbilder ausgeführt hatte, zeigt hier eine Hirtin mit roten Haaren, die ihre Ziegenherde durch einen Wald führt. Einzig die Ortsangabe («Savièse») auf dem Bild verrät die Inspiration der Komposition durch eine reale Landschaft, während sowohl die rätselhafte Frauenfigur als auch das Spiel mit den geschwungenen Linien der Vegetation das Bild als Traum und Allegorie erscheinen lassen. Was die Stilistik betrifft, vermischen sich hier Symbolismus und Jugendstil. 2022/Ingrid Dubach-Lemainque//Übersetzung: Philippe Moser
Erwerbungsjahr
1898
Provenienz
Ernest Biéler, Sion/VS (?–1898); Confédération suisse. Source: Archives des Collections d'art de la Confédération, Berne
Sammlung
Freie Kunst
Standort
Musée d'art et d'histoire, Neuchâtel