Beschreibung
Gleyre, Sohn einer Bauernfamilie aus dem Waadtland, verwaiste bereits in jungen Jahren und wurde zu Verwandten nach Frankreich geschickt. Seine ersten Schritte im Gebiet der bildenden Kunst machte er in Lyon, an der Ecole des arts décoratifs. Es folgte eine Ausbildung beim Maler Hersent in Paris. Zur Vervollkommnung seiner Studien ging er nach Italien, zunächst nach Florenz, dann nach Rom, wo er sich dem Direktor der Académie Française de Rome, Horace Vernet, sowie den Schweizer Künstlern um Léopold Robert anschloss. 1834 engagierte ihn ein amerikanischer Industrieller als Zeichner für seine Expeditionen im Mittelmeerraum. 1838, nach zehn Jahren im Ausland, kehrte Gleyre nach Paris zurück. Mit seinen Ausstellungen im Salon, ab 1843, kam auch der Erfolg. Er fand Anschluss an Persönlichkeiten des Pariser Kulturlebens wie Flaubert, de Musset oder Delaroche und in seinem Atelier waren nicht nur die späteren Impressionisten Monet, Renoir und Sisley anzutreffen, sondern auch Schweizer Talente wie Anker oder de Meuron. Aber Gleyre vernachlässigte die Kontakte zur Schweiz nicht: Er hielt sich regelmässig in Lausanne auf, führte öffentliche Aufträge für die Waadt oder die Stadt Basel aus und malte Porträts von Bürgern dieser Städte. 1867 gestaltete er im Auftrag der Eidgenossenschaft den Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Paris. 1870, während des deutsch-französischen Kriegs, floh Gleyre in die Schweiz, 1872 war er zurück in Paris, wo er zwei Jahre später starb.
«Es ist nur eine junge Frau, die sich ins Bett legt, um zu schreiben und zu singen, wie die Leier und die Schriftrollen zeigen»: So beschreibt Gleyre diesen weiblichen Akt, der in einer Dreiviertelansicht von hinten gezeigt wird, eine Öllampe anzündend. Erst später erhält das Bild seinen aktuellen Titel und den Verweis auf Sappho, die griechische Dichterin aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Die intime Szene kombiniert verschiedene Elemente der antiken Baukultur – Fresken im Stil von Pompei, dekorative Details wie eine Säule mit Minerva und ein Kerzenleuchter mit Sphinx – und drückt die Vorliebe des Künstlers und seiner Zeitgenossen für eine Antike aus, die der Einbildung und Fantasie entspringt. Das Gemälde wird 1909 durch die Gottfried Keller-Stiftung erworben und ist im Werkverzeichnis des Künstlers unter der Nummer 908 verzeichnet.
2018/Ingrid Dubach-Lemainque//Übersetzung: BAK LING
Provenienz
Charles Gleyre, Paris (1867); Gervais Charpentiers, Paris (1867); Adolphe Goupil, Paris (1867–1868); Rudolf Lang, Bâle (1868–1874); Adrien Mercier, Lausanne/VD (1874–1909); Confédération suisse.
Source: Archives des Collections d'art de la Confédération, Berne