Beschreibung
Karl Stauffer, genannt Stauffer-Bern, erhielt seinen ersten Zeichenunterricht bei Paul Volmar in Bern. 1874 wurde er nach München geschickt, um eine Lehre als Dekorationsmaler zu absolvieren, 1876 ermöglichte ihm ein Stipendium, an die Akademie von München zu wechseln. 1880 ging er nach Berlin und gewann ein Jahr darauf mit seinem Porträt des Bildhauers Max Klein die kleine Goldene Medaille. Darauf folgten zahlreiche Aufträge für Bildnisse, und seine künstlerische Richtung schien vorgezeichnet. 1884 liess sich Stauffer von seinem Künstlerfreund Peter Halm in die Technik der Radierung einführen, um eine Galerie berühmter Zeitgenossen zu schaffen. Friedrich Emil Welti, Sohn des Bundesrats Emil Welti und Schulkamerad von Stauffer wurde 1886 zu einem Mäzen des Künstlers. 1888 übersiedelte Stauffer nach Rom, um sich ganz der Bildhauerei zu widmen, und 1890 beteiligte er sich mit einem Tonmodell am Wettbewerb für das Adrian Bubenberg-Denkmal (Bern). Die Liaison mit der Ehefrau seines Mäzens, Lydia Welti-Escher, und ihre gemeinsame Flucht nach Rom 1889 endeten in einem Fiasko, Stauffer wurde verhaftet, kurz darauf jedoch wieder freigelassen. Er starb am 24. Januar 1891 an einer Überdosis Schlafmittel.
Der Dichter und Schriftsteller Gottfried Keller (1819–1890), der zunächst Landschaftsmaler hatte werden wollen und seit den 1850er Jahren durch den Roman ‹Der grüne Heinrich› und die Novellen-Sammlung ‹Die Leute von Seldwyla› ein hohes Ansehen genoss, war mit dem Ehepaar Friedrich Emil und Lydia Welti-Escher befreundet, in dessen ausserhalb von Zürich gelegener Villa Belvoir das Porträt Kellers entstand. Während das Gesicht des Dargestellten in der für Stauffer-Bern charakteristischen Weise mit höchstem Realismus ausgearbeitet wurde, deuten nur ein paar rasch und anscheinend nachlässig hingesetzte Pinselstriche den Oberkörper und die Kleidung des Porträtierten an. Die Faszination an diesem Bild beruht auf dem Kontrast der Ausführung und auf der tiefen Melancholie im Blick des Dichters, zu dessen Andenken die Gottfried Keller-Stiftung ihren Namen erhielt. Friedrich Emil Welti-Escher schenkte das Porträt 1919 der Gottfried Keller-Stiftung.
2018/Susanne Schneemann
Provenienz
Karl Stauffer-Bern, Zürich (1886); Friedrich Emil und Lydia Welti-Escher, Zürich (1886–1890); Friedrich Emil Welti-Escher, Bern (1890–1919); Schweizerische Eidgenossenschaft.
Quelle: Archiv der Kunstsammlungen des Bundes, Bern